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28. Januar 2010 - Eisberge in der Andvord Bay

Vormittags machen wir noch einmal auf Cuverville Island einen Landgang, um die Pinguinkolonien zu besichtigen. Hier sind es alles Eselspinguine, doch als große Seltenheit entdecken wir einen Kaiserpinguin zwischen ihnen. Sogar eine der selten gewordenen Pelzrobben sichten wir.

Mittags segeln wir durch den Errerakanal weiter in die Andvord Bay. In der weitläufigen Bucht begegnen uns gewaltige Eisberge, in denen sich riesige Höhlen und Durchfahrten gebildet haben. Das Eis ist richtig blau. Nach der Durchquerung von Andvord Bay biegen wir in die Aguirre Passage zwischen Lemaire Island und dem Festland ein. Hier liegt die chilenische Station González Videla. Wir haben uns bereits per Funk angemeldet und werden von drei Marinesoldaten erwartet - Comandante Toledo, Subteniente Soto und ein weiterer Marinero. Mit ihrer schwarzen Kleidung und den tiefschwarzen Sonnenbrillen sehen sie martialisch aus. Nichtsdestoweniger wird es ein herzlicher Empfang. Nach dem Besuch eines kleinen Museums mit Souvenierverkauf werden wir in die Bar eingeladen. Offensichtlich ist man über die Abwechslung sehr erfreut, denn wir werden reichlich mit allen denkbaren Getränken versorgt und der Besuch zieht sich lange hin.

Die Station wird von der chilenischen Marine betrieben. Immer wieder wurde betont, daß der Zweck der Station in Logistikleistungen für die Wissenschaft in der Antarktis liege. Wie bei vielen anderen Stationen in der Antarktis geht es aber auch bei dieser Station um Präsenz und die Sicherung der Gebietsansprüche, die nach dem Antarktisvertrag zurzeit im wahrsten Sinne des Wortes auf Eis liegen. Auch Argentinien und Großbritannien haben solche eingefrorenen Gebietsansprüche auf die antarktische Halbinsel, auch sie betreiben bemannte oder unbemannte Stationen zu diesem Zweck. Der Streit um die Gebietsansprüche ist nicht neu. Schon Lecointe berichtet in seinem 1904 erschienen Bericht von der Belgica-Expedition in sehr ironischem Tone über diese Zwistigkeiten.

Historisch gesehen befindet sich die Station González Videla an einem bedeutenden Punkt: gleich hinter der Station befindet sich Waterboat Point, der Ort wo die verbliebenen zwei Mitglieder der zunächst so großartig geplanten britischen Antarktisexpedition, Bagshawe und Lester, 1921 in einem Wasserboot überwinterten.

Nach dem Besuch in der Station schippern wir weiter nach Paradise Harbor - Bahía Paraíso - und ankern für die Nacht im Rücken der Coughtrey-Halbinsel.

Tagesstrecke: 17 sm (Gesamt: 760 sm)

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29. Januar 2010 - Paradise Harbour

Heute ist ein herrlicher Tag, die Sonne lacht, blauer Himmel, das gleißende Weiß von Gletscher, Schnee und Eisschollen, und als Kontrast die dunklen Felsen. Alles wirkt unberührt, jungfräulich. Kein Windhauch kräuselt das Wasser. Nach dem Frühstück tuckern wir zur argentinischen Station Almirante Brown um die Coughtrey-Halbinsel herum. Die Station ist unbemannt, steht aber für jeden Notleidenden offen und - ganz wichtig - zeigt die argentinische Flagge. Wir sehen uns in den Räumen der Station um, nichts ist abgeschlossen. Es gibt für eventuell in Not geratene Menschen alle erdenklichen Vorräte, neben jeder Art von Lebensmittel sogar große Mengen Schnaps und ein Männermagazin. Es fehlt die Phantasie sich auszumalen, wer die in Not Geratenen sein könnten. Wieder nur die Bemäntelung von Gebietsansprüchen?

Über der Station erhebt sich ein ca. 100 m hoher Hügel, den wir natürlich besteigen um den Blick über Paradise Harbour zu genießen. Heute hat die große Bucht, von Bryde und Lemaire Insel auf der einen Seite und dem antarktischen Festland auf der anderen Seite begrenzt, ihren Namen wirklich verdient. Offensichtlich hat sich diese Bucht auch schon vor knapp hundert Jahren so vorteilhaft präsentiert, denn der Name wurde ihr von den hier operierenden Walfängern verliehen.

Unser Landgang bei der Station Almirante Brown auf der Coughtrey-Halbinsel hat für uns eine besondere Bedeutung. Es ist das einzige Mal während unseres gesamten Törns, daß wir wirklich auf antarktischem Festland stehen. Alle unsere anderen Landungspunkte befanden sich immer nur auf Inseln.

Dann geht der Anker auf und wir fahren durch den Ferguson Channel wieder hinaus in die Gerlachestraße. Mit dem Verlassen von Paradise Harbour wird auch das Wetter zunehmend grauer. Die Wienckeinsel gegenüber, auf deren südliches Ende wir nun zusteuern, hat ihre Gipfel schon in den Wolken, bald ist sie ganz wolkenverhangen. Zunächst gibt es sporadischen Schneeregen, dann setzt dichter Schneefall ein. Wir durchqueren die Gerlachestraße und laufen in die Bismarckstraße ein. An Steuerbord liegt nun, nachdem wir Wiencke Island passiert haben, Anvers Island. Gegen halb acht ankern wir zwischen Litchfield Island und Torgerson Island nahe Palmer Station.

An diesem Tage haben wir wieder mehrfach Kontakt mit der Belgica-Expedition von de Gerlache gehabt. Schon auf der Station Almirante Brown fanden wir eine Gedenktafel für den Rumänen Emil Georg Racovitza, der als Naturforscher an Bord der Belgica gewesen ist. Ferguson Channel, durch den wir Paradise Harbour verlassen haben, durchfuhr erstmals am 10. Februar 1898 die Belgica, und zwar in umgekehrte Richtung (Lecointe): „Es setzte uns in nicht geringes Erstaunen, als wir am 10. Februar beim ersten Durchblick der Sonne einen Kanal erblickten, der nach 15° Nordost sich erstreckte. Wir fuhren hinein und erkannten erst in der Nähe des Kaps Van Beneden, daß dieser Kanal derselbe ist, der die Brydeinsel von Dancoland trennt, und in dessen Eingang wir uns vorher schon zweimal befunden hatten.“ Dancoland, so heißt hier die antarktische Festlandsküste nach dem Physiker an Bord der Belgica. Er ist einer der beiden Expeditionsteilnehmer, der die Expedition nicht überlebte. Emil Danco starb während der Überwinterung der Belgica, die eingeschlossen im Eise weit nach Süden driftete. Das andere Opfer war der junge, erst zwanzigjährige norwegische Matrose August Wiencke. Er wurde am Nachmittag des 22. Januar 1898 in der Bransfieldstraße zwischen den Austin Rocks und Low Island über Bord gespült und konnte auch mit einem dramatischen Rettungsversuch nicht mehr zurück an Bord geholt werden. Ihm zu Ehren wurde Wiencke Island so benannt.

Tagesstrecke: 37 sm (Gesamt: 797 sm)

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