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Fels und Eis im Lemairekanal

It is this strange simplicity, this other-world air of terrestrial youth, which makes the polar regions so fascinating to nature-loving man. Everything about is new, yet old; every sight is simple, yet clothed in mystery; every phenomenon, like a shy maiden, is attractive but difficult of access. The haste and the bustle of the living world are far from the mental horizon …

Frederick Arthur Cook, Mitglied der Belgica-Expedition
 

Ein Segeltörn in die Antarktis - ist das denn möglich?

Die Frage drängt sich auf, liegt doch die wegen ihrer Stürme berüchtigte Drakepassage zwischen Südamerika und der antarktischen Halbinsel. Zudem ist es erst gut einhundert Jahre her, daß die wesentlichen geographischen Entdeckungen in der Antarktis gemacht worden. Bis dahin war der Kontinent wegen seiner extremen Kälte, wegen Schnee, Eis und anderer Witterungsunbilden faktisch unerreichbar. Und dieser Törn, dieses Abenteuer soll nun sogar für den Durchschnittssegler aus der Ostsee möglich sein?

Es ist möglich!

Zunächst die Drakepassage: Sie ist ca. 600 sm breit, man muß ungefähr 4 Tage für ihre Querung unter Segeln rechnen. Für jemanden, der mit der Seekrankheit Probleme hat, können diese Tage in der Tat hart werden. Da helfen, wenn überhaupt, nur Medikamente und eine entsprechende mentale Vorbereitung. Aber - wenn man nicht wirklich vollständig durch die Seekrankheit lahmgelegt ist, so ist das Segeln in der Drakepassage ein einmaliges Erlebnis. Diese Einsamkeit in den Wellen des Ozeans, die Albatrosse, die durch die Wellentäler majestätisch und traumwandlerisch sicher schweben, die gescheckten, eher flatternden Kaptauben, das sind Eindrücke, die man für das Leben behalten wird.

Das nächste Thema: Kälte! Natürlich kann es auf dem Wasser, speziell nachts in der Drakepassage südlich der Konvergenzzone oder in der Bransfieldstraße bei kaltem Wind und Temperaturen um den Gefrierpunkt, sehr kalt werden.

Schnee und Kälte in der Bismarckstraße

Schnee und Kälte in der Bismarckstraße

Aber mit entsprechend vielen Schichten Kleidung kann man sich gut schützen. Polartec-Unterwäsche, Fleecejacken, ein wind- und wasserabweisendes Ölzeug am Körper, ausreichend Socken in den Stiefeln - und die Temperaturen sind erträglich. In der Inselwelt der antarktischen Halbinsel selber kann es durchaus vorkommen, daß man sich bei Sonnenschein in einer geschützten Bucht vor Anker auch im T-Shirt an Deck bewegen kann, ohne zu frieren.

Auch das kann man im antarktischen Sommer erleben.

Auch das kann man im antarktischen Sommer erleben.

Die Lufttemperaturen im antarktischen Sommer liegen bei etwas über Null, also Temperaturen wie wir sie in den gemäßigten Breiten in jedem Winter erleben.

Und zuletzt: Risiko? Natürlich ist eine Kreuzfahrt auf der Aida relativ gesehen weniger gefährlich. Aber dies bedeutet im Umkehrschluß keine unkalkulierbaren Risiken bei einem solchen Antarktistörn. Mit einem guten Schiff und einem erfahrenen Schipper ist der Törn nicht wirklich gefährlich. Und bezüglich Erfahrung und Besonnenheit ist unser Schipper kaum zu schlagen. Es war sein 34. Törn mit der Sarah W. Vorwerk in die Antarktis. Natürlich sollte man selber sich in der Antarktis immer bewußt sein, daß dort die eingefahrenen und vertrauten Verhaltensmuster aus der zivilisierten Heimat nicht tragen, und sich dementsprechend mit Vorsicht und Respekt vor der unbekannten Natur bewegen.

Auch mit einem Kreuzfahrtschliff läßt sich komfortabel durch die Antarktis fahren. In Ushuaia gibt es Last-Minute-Angebote für solche Reisen, die vom Preis her fast vergleichbar mit einem Segeltörn sind. Aber - mit dem Kreuzfahrtschiff in die Antarktis zu fahren, das ist ungefähr so, wie am Sonntagnachmittag nach dem Kaffeetrinken zu den afrikanischen Wildtieren in den Zoo zu gehen. Man lebt auf dem Kreuzfahrtschiff in der gewohnten zivilisierten Welt. Man wirft aus dem Sessel der wohltemperierten Bar einen Blick durch die getönten Scheiben auf die eisige Natur. Und man verläßt für kurze Augenblicke diese geschützte Umgebung, um die Nase in die antarktische Luft zu stecken und in einer durch die Reiseleitung wohl bemessenen Zeitspanne an einem der vorgesehenen Landeplätze ein paar Schritte rechts, ein paar Schritte links zu gehen, Pinguine zu photographieren und schnell wieder in den Schutz des Schiffes zurückzukehren. Danach kann jeder mit gutem Recht behaupten, er sei in der Antarktis gewesen - erlebt hat er sie aber nicht.

Kleine Entdeckungsgeschichte der antarktischen Halbinsel

Weil man in der Antarktis auf Schritt und Tritt - schon wegen der geographischen Namen - ihrer Entdeckungsgeschichte begegnet, sollen an dieser Stelle die Hauptlinien kurz nachgezeichnet werden. Dabei beschränken ich mich bewußt auf den von uns durchsegelten Bereich, das sind die Südshetlandinseln und der nördliche Teil der antarktischen Halbinsel: Grahamland, Palmerarchipel, Kaiser-Wilhelm-Inseln. Im Reisebericht werde ich besonders auf die Expeditionen von Eduard Dallmann (1873/74), Adrien de Gerlache (Belgica-Expedition 1898/99) und Jean-Baptiste Charcot (1903-1905 und 1908-1910) Bezug nehmen.

Die antarktische Halbinsel ist seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts bevorzugtes Ziel zuerst von Robbenjägern und Expeditionen, dann von Walfängern und zuletzt vom Tourismus, deshalb, weil sich dieser Zipfel so weit wie sonst nirgends in der Antarktis in den Norden erstreckt. Zwischen ihrer Nordspitze und der Südspitze von Südamerika liegen nur ungefähr sechs Breitengrade. Die geographische Breite der Inselwelt zwischen den Südshetlands und den Argentinischen Inseln entspricht derjenigen der nördlichen Ostsee.

Die der antarktischen Halbinsel vorgelagerten Südshetlandinseln wurden im Februar 1819 von dem Engländer William Smith zufällig entdeckt, als er bei der Umrundung von Kap Hoorn von widrigen Winden weit nach Süden geblasen wurde. Er notierte die überwältigende Zahl von Fellrobben auf den Südshetlandinseln. Schon einen Sommer später, 1820-21, begann die Jagd auf die Tiere, die ihren Höhepunkt in der Saison 1821-22 fand. Man schätzt, daß alleine in den wenigen Monaten dieser Saison eine halbe Million Robben geschlagen wurden. Im Ergebnis ging die Zahl der getöteten Tiere bereits in den beiden folgenden Sommern dramatisch auf unter 20.000 zurück. Danach waren sie nahezu ausgerottet, auch wenn Robbenfänger das ganze Jahrhundert hindurch in dem Gebiet anwesend waren und immer wieder einzelne Robben erlegten.

Die Entdeckungsgeschichte der Südshetlandinseln und der Westseite der antarktischen Halbinsel wurde zu großen Teilen durch Robbenjäger und später durch Walfänger geschrieben, Unternehmungen also, die in erster Linie kommerzielle Ziele verfolgten. Sie haben naturgemäß ihre Reisen und Entdeckungen wenig dokumentiert. Expeditionen mit rein wissenschaftlichen oder kartographischen Zielen sind dagegen im 19. Jahrhundert rar gewesen. Die erste solche Expedition war sicher die von Edward Bransfield, der im Auftrage der Royal Navy schon Anfang 1820 die Gegend untersuchte, die heute seinen Namen trägt: Bransfieldstraße. Es folgten im folgenden Sommer der in russischen Diensten stehende Balte Bellingshausen mit einer vom Zaren ausgesandten Expedition. Aber schon er traf bei der Erkundung der antarktischen Halbinsel wieder auf einen Robbenjäger, den jungen, erst 21-jährigen Amerikaner Nathaniel Palmer. Seitdem wird darum gestritten, wer von den dreien, Bellingshausen, Bransfield oder Palmer, denn die antarktische Halbinsel, also das antarktisches Festland, tatsächlich entdeckte und als erster betrat.

Erwähnt werden muß hier noch die englische Expedition unter Henry Foster aus den Jahren 1828 bis 1831, die Gravitationsmessungen auf Deception Island durchführte und dort ein Thermometer hinterließ, welches die Temperaturen selbsttätig aufzeichnete und erst 1842 von dem umtriebigen William Smiley geborgen wurde. Später wurde zu Ehren des Expeditionsleiters, die Caldera von Deception Port Foster genannt.

1831/32 umrundete Biscoe auf der Suche nach neuen Jagdgründen für den Robbenfang die gesamte Antarktis. Dabei segelte, er von Süden nach Norden vordringend, die gesamte der antarktischen Halbinsel vorgelagerte Inselkette ab: Adelaide Island, Biscoe[!] Islands, Anvers Island.

Im Februar und März 1838 hielt sich der Franzosen Jules Durmont D’Urville mit seinen Schiffen Astrolabe und Zèlèe im Bereich der Südshetlandinseln und der Nordküste der antarktischen Halbinsel auf. Noch heute künden die Zèlèe Rocks, die Inseln Astrolabe Island und D’Urville Island in bzw. am östlichen Ausgang der Bransfieldstraße von der französischen Expedition.

Als nächste staatlich organisierte Expedition kam die US Exploring Expedition unter Charles Wilkes mit den beiden Schiffen Porpoise und Sea Gull im März 1839 in die Gewässer um die Antarktische Halbinsel. Den für die Antarktis entdeckungsgeschichtlich bedeutenderen Teil dieser Expedition brachte wesentlich weiter westlich aber erst die kommende Saison.

Deutschland ist mit der Reise des barkgetakelten Dampfers Grönland unter Kapitän Eduard Dallmann 1873/74 in der frühen Entdeckungsgeschichte des Kontinents vertreten. Erstes Ziel dieser Erkundungsfahrt zu den Südshetland- und Südorkneyinseln war der Robben- und Walfang. Die Reise war wohl unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht besonders erfolgreich, die Expedition hat aber wichtige Entdeckungen im Bereich des heute so genannten Palmerarchipels gemacht und hat sich dort durch die von ihr vergebenen geographischen Namen verewigt. Dallmann drang als Erster tief in die westliche Inselwelt ein, dort wo Biscoe vor ihm geschlossenes Festland vermutete. Die Dallmann Bay erinnert an diese Entdeckungsfahrt.

Kapitän Eduard Dallmann (1830 - 1896)

Kapitän Eduard Dallmann (1830 - 1896)

Der Walfang in dem Gebiet begann mit den beiden Erkundungsreisen des Norwegers C.A. Larsen 1892/93 und 1893/94. Evensen, der auf der zweiten Reise Kapitän des neben der Jason, der Castor und der Ørnen vierten Expeditionsschiffes Hertha war, segelte die westlich vorgelagerte Inselkette bis weit in den Süden hinab. In der Folge dieser Expeditionen kamen die Walfänger mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts in diesen Teil der Antarktis, die zunächst ihre Basis in Deception Island fanden, später aber auch weiter im Süden Liegeplätze hatten (Foyn Harbour, Port Lockroy, Paradise Harbour, Melchior Islands).

Carl Anton Larsen (1860 - 1924)

Carl Anton Larsen (1860 - 1924)

Es fehlen in dieser kurzen Aufzählung noch die letzten beiden großartigen wissenschaftlichen Expeditionen. Zunächst erforschte 1898/99 die Belgica unter dem Kommando von Adrien de Gerlache die Gewässer. Dieser Expedition verdanken wir die Kenntnis über die Gerlachestraße. Zugleich war sie die erste Expedition, die in der Antarktis überwinterte und dabei im Eis eingeschlossen bis über den 70° Breitengrad hinweg driftete.

Baron Adrian de Gerlache (1866 - 1934)

Baron Adrian de Gerlache (1866 - 1934)

1903-1905 und 1908-1910 schließlich fanden die beiden Expeditionen von Jean Baptiste Charcot mit der Français und der Pourquoi-Pas? statt, der hier - in Port Charcot auf Booth Island und in Port Circumcision auf Petermann Island - zweimal überwinterte und viel zur geographischen Erkundung der Inselwelt von Anvers Island im Norden bis zur Charcot- und Alexanderinsel im Süden beitrug.

Jean Baptiste Charcot (1867 - 1936)

Jean Baptiste Charcot (1867 - 1936)

Bibliographie

Reisehandbuch

Über die Dallmann-Expedition

Über die Belgica-Expedition

Über die Français-Expedition

Über die Pourquoi-Pas?-Expedition John Copes Expedition - Überwinterung von Bagshawe und Lester bei Waterboat Point

Der Kurs

Die Stationen der Reise auf dem Satellitenbild von Google Earth findet man hier. Auf dem folgenden Bild ist der Verlauf des Törns anhand der GPS-Daten gezeichnet.