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23. Januar 2010 - Deception Island

Nachmittags segeln wir weiter nach Deception Island. Kurz, nachdem wir den Anker gelichtet haben, sichten wir unseren ersten Buckelwal. Er tut uns den Gefallen und streckt, zum nächsten Tauchgang ansetzend, seine Fluke weit aus dem arktischen Wasser. Es wird ein bißchen freundlicher, hin und wieder ist ein Stück blauen Himmels zu sehen. Die Gipfel von Livingston verschwinden aber weiter in den tiefhängenden Wolken. Über den unteren Wolkenschichten tauchen dann wieder Formen auf, von denen man nicht recht weiß, ob es sich um die Berggipfel handelt oder nur um ihnen täuschend ähnliche Wolken. Es werden tatsächlich wohl doch die Spitzen von Livingston sein, die sich im Osten von Hannah Point bis zu knapp siebzehnhundert Metern erheben.

Wir steuern auf Baily Head zu, dem markanten Kap, nördlich der Einfahrt in die Caldera von Deception gelegen. Vor Baily Head stechen die bizarr aussehenden Sewing-Machine Needles aus dem Wasser, wie Nähmaschinennadeln geformte Felsen. In der durchbrechenden Sonne heben sich rostbraune Schichten von schwarzer Asche und weißem Eis eindrucksvoll ab. Petes Pilar, auch so eine aus dem Wasser herausragende Felsenstele, steht vor der Einfahrt in den Vulkankrater, denn nichts anderes ist Deception Island, der aus dem Wasser ragende Kraterrand eines Vulkans. Wir lassen Petes Pillar dicht an Steuerbord, denn an Backbord droht der Unterwasserfelsen Ravn Rock, von Charcot nach einem norwegischen Walfänger benannt, der zur Zeit von Charcots zweiter Expedition seinen Liegeplatz in Deception Island hatte. Durch Neptuns Bellow (Neptuns Blasebalg), so wird die Einfahrt genannt, kommen wir in das Innere der Caldera - Port Foster. An Steuerbord liegt Whalers Bay, die alte Walfangstation, die wir für heute unbeachtet liegenlassen, um einen Ankerplatz für die Nacht in Telefon Bay zu suchen.

Auch diese Bucht ist nach einem Schiff benannt. Das mit Kohlen beladene, norwegische Versorgungsschiff Telefon strandete am 26. Dezember 1908 am Eingang der Admirals Bay, King Georg Island, auf den später so benannten Telefon Rocks. Die Mannschaft gibt das Schiff auf. Nach dem Eintreffen der Nachricht von der Strandung in Deception Island setzt ein Wettlauf der Walfänger der verschiedenen, dort stationierten Walfanggesellschaften ein, um das herrenlose Schiff in Besitz zu nehmen. Gewinnen tut das Rennen über immerhin 75 sm, die Almirante Valenzuela von der Sociedad Ballenera de Magallanes. Das Schiff wird vom Felsen geholt und nach Deception Island gebracht, dort in der Telefon Bay für den Winter auf Grund gesetzt. Im folgenden Sommer wird das Schiff wieder flott gemacht und später nach Punta Arenas versegelt. Seit jener Zeit hat die Telefon Bay durch mehrere Vulkanausbrüche deutlich ihre Form geändert, zuletzt 1970. Relikte dieser Vulkanausbrüche sind die meterdicken schwarzen Ascheschichten, die unsere Ankerbucht umschließen.

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24. Januar 2010 - Deception Island

Von unserem Ankerplatz am Westende der Caldera dampfen wir in aller Frühe in die Whalers Bay, in der wir die nächsten 24 Stunden verbringen werden. Seit 1906 wurde diese Bucht durch die Walfänger als Stützpunkt benutzt, beginnend mit dem Norweger Adolf Amandus Andresen und seiner Sociedad Ballenera de Magellanes. Vom 1. Oktober 1911 an hatte die Hvalfangerselskabet Hektor A/S aus Tønsberg, Norwegen, später Hector Whaling Ltd., London, eine Lizenz über 21 Jahre für eine landbasierte Walfangstation in Whalers Bay. Die Lizenz wurde von Großbritannien vergeben und kostete im Jahre 250 £. Hector Whaling Ltd. hat die Lizenz fast bis zum Ende der Laufzeit genutzt, erst 1931 wurde die Station aufgegeben. Das war das Ende der Walfanggeschichte von Deception Island. Aus dieser Zeit sind noch die großen Tanks für Treibstoff und Walöl und die Tranöfen zu sehen, zum Teil tief in die aus den Vulkanausbrüchen 1967 - 1970 stammende Asche versunken.

Nach dem Ende des Walfangs gründeten die Briten hier eine Forschungsstation, die Überreste des Biscoe House zeugen noch heute davon. Aber auch diese Station hatte keinen Bestand. Sie wurde aufgegeben, nachdem sie Opfer der Vulkaneruptionen von 1969/70 geworden war. Schließlich ging Whalers Bay als Startpunkt der ersten beiden Antarktisflüge im Dezember 1928 / Januar 1929 durch Hubert Wilkins und Carl Ben Eielson in die Luftfahrtgeschichte ein. Der noch existierende Hangar erinnert an die Pioniertaten, obwohl er natürlich erst sehr viel später gebaut wurde.

Nach dem Frühstück geht es an Land. Es pfeift eine steife Brise über Port Foster. Ich besichtige ausführlich die Überreste aus den Walfangzeiten und den Jahren der britischen Station. Wir besteigen den Kraterrand nahe der Einfahrt in die Caldera an einer Stelle, wo er einen tiefen Einschnitt hat (Neptuns Window, die Chilenen nennen ihn Ventana del Chileno - das Fenster des Chilenen!). Von dort oben hat man eine großartigen Überblick über Whalers Bay. Dann steigen wir zu einem Paß hinauf und überqueren ihn. Es bietet sich ein herrlicher Blick auf die Außenseite von Neptuns Bellow. Weiter geht es, immer höher, bis wir Sicht auf Baily Head haben. In der Ferne Livingston Island. Enormer Sturm auf den Gipfeln. Es fällt schwer, unverwackelte Photos zu machen, so zerrt der Wind an Kamera und Photographen. An der höchsten Stelle diskutieren wir, ob wir versuchen sollten, zur Außenküste hinabzusteigen. Die Schneefelder sehen jedoch wenig einladend aus. So laufen wir über den Kraterrand hinweg wieder direkt zur Whalers Bay zurück. Aber auch auf der Innenseite des Kraters Schneefelder. Ich mache meinen eigenen Abstieg. Das Gefühl beim Gang über die Schneefelder ist nicht gut. Was verbirgt sich unter dem Schnee? Als ich endlich wieder auf Meeresniveau bin, ist die Erleichterung groß. Noch schnell einen Ausflug zum Hangar der verlassenen britischen Station. Dann braust auch schon Henk mit dem Schlauchboot heran, um uns wieder an Bord zu bringen.

Etmal: 33 sm (Gesamt: 610 sm)

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