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27. Januar 2010 - Cuverville Island

Gegen halb elf werfen wir die Leinen zur Guvernøren los. Langsam motoren wir durch die Wilhelmina Bay, zunächst noch an der Küste von Enterprise Island entlang. Überwältigende Eindrücke. Aus meinen an diesem Tage niedergeschriebenen Notizen:

„Erstmals fahren wir bewußten Sinnes durch die Kanäle, Inselgruppen, Eisfelder und Eisberge der Antarktis. Ein gewaltiger und überwältigender Eindruck löst den anderen ab. Verkraften kann man das nur, indem man viel zu viel photographiert. Beeindruckende Küste aus Fels und Eis, teilweise von der Sonne angestrahlt, teilweise von Wolken beschattet, Orca-Wale, seltsam geformte und eisbedeckte Inseln und immer wieder von einer niemals verlöschenden Phantasie gestaltete Eisberge - unvorstellbar!“

An der Zufahrt zur Wilhelmina Bay durch die Meerenge zwischen Enterprise Island und Nansen Island liegt Foyn Harbour, auch ein alter Walfängerhafen, wenn man so eine Bucht einen Hafen nennen darf. Der Norweger Svend Foyn war der Erfinder der Harpunenkanone mit Sprengkopf, eine Erfindung, die den Walfang revolutionierte und das industrielle Zeitalter der Walfängerei einleitete. Der Hafen erhielt seinen Namen nach dem Fabrikschiff Svend Foyn I der schottischen Firma Christian Salvesen & Co. welches hier in den Jahren 1921/22 sein Mooring hatte.

Weiter geht es, vorbei an Brooklyn Island und Wyck Island durch die Wilhelmina Bay, alles Namen, die die Belgica-Expedition 1898 bei ihrer Entdeckung und ersten Vermessung der Gerlachestraße (zunächst noch Belgicastraße genannt) vergeben hat. Die Brooklyn-Insel, die an Backbord vorüberzieht, wurde von dem Schiffsarzt Frederick A. Cook nach seinem Geburtsort so benannt. Cook, eine schillernde Persönlichkeit, beanspruchte später, der erste Mensch am Nordpol gewesen zu sein, was sehr zweifelhaft aber nicht ausgeschlossen ist. Auch der junge Amundsen, der später unzweifelhaft als erster Mensch den Südpol erreichte, war als 1. Offizier an Bord der Belgica. Man kann nur vermuten, daß er die Benennung der Nanseninsel, die nun schon eine Weile an Steuerbord an uns vorübergleitet, nach seinem berühmten Landsmann vorgeschlagen hatte.

Bei Cape Anna verlassen wir die Wilhelmina Bay und fahren in die Gerlachestraße ein. Gegenüber fällt der Blick in die weite Dallmann Bay, rechts der Einfahrt die wie ein Finger in den Himmel ragende Felsspitze Bulckes Finger.

Schon wenige Meilen weiter südlich verlassen wir die Gerlachestraße wieder und biegen an dem wie eine eisige Kopie des Zuckerhuts aussehenden Spigot Peak in den Errerakanal ein. Unser heutiges Ziel, Cuverville Island, liegt vor uns, leider sind wir nicht alleine, schon wieder ein Kreuzfahrtschiff. Wir werfen an der Westseite der Insel Anker, außer Sicht von dem Dampfers Delfin.

Auch Cuverville Island ist ein zur Hälfte mit tiefem Schnee bedeckter Felsbuckel. Am Fuße der fast 250 m hohen Insel nisten ungezählte Pinguine, dazwischen viele Skuas, die auf ein Pinguinküken hoffen. Wir wollen den höchsten Punkt der Insel besteigen. Es bereitet etwas Schwierigkeiten, mit dem Schlauchboot eine Landestelle zu finden, von der man trockenen Fußes an Land kommt. Ganz gelingt es mir nicht, aber das macht nichts, in dem tiefen Schnee, durch den wir zum Gipfel klettern, füllen sich die Schuhe sowieso bald bis zum Rand mit Wasser. Oben angekommen, bietet sich ein herrlicher Ausblick über den Errerakanal und die vielen ihn säumenden markanten Felsspitzen: Spigot Peak, Sables Pinacle, Wild Spur, … Und tief unter uns in der Bucht unsere spielzeughaft anmutende Sarah vor Anker. Ganz oben auf dem Gipfel sitzt inmitten des Schnees eine einsame Skua, die uns mißtrauisch beäugt. Wir laufen zur Nordkante des Buckels, wo der nackte Fels aus dem Schnee herauskommt und Skuas ihre Steinnester gebaut haben. Wir Eindringlinge verursachen ein ohrenbetäubendes Gekreische, aufgeregt fliegen die Skuas auf und ab, eine Szene, wie aus Hitchcocks Vögeln entnommen. Den größten Teil des Abstiegs vollziehen wir auf dem Hosenboden rutschend. So wird der Abstieg des so mühsam erstiegenen Berges zu einer Sache von wenigen Minuten. Stark durchnäßt kommen wir wieder an Bord der Sarah an, wo uns zum Aufwärmen schon ein Glühwein erwartet.

Tagesstrecke: 29 sm (Gesamt: 743 sm)

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