Schutzumschlag von Eric Newby, Lehrjahre vor dem Mast

Lehrjahre vor dem Mast
von Eric Newby

Am 18. Oktober 1938 lief die Moshulu in Ballast von Belfast aus zum letzten Vorkriegs-Weizenrennen nach Australien aus. Die 1904 in Glasgow vom Stapel gelaufene Viermastbark hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. Sie wurde als Kurt für die Hamburger Reederei G. J. H. Siemers & Co gebaut, im ersten Kriege in Amerika zunächst interniert und schließlich beschlagnahmt. Nach kurzem Intermezzo als Dreadnought segelte sie für unterschiedliche amerikanische Eigner unter ihrem letzten Namen Moshulu (der Name ist indianischen Ursprungs und heißt zu deutsch Fürchtenichts). Nachdem es mehrfach aufgelegt worden war, kaufte der aländische Reeder Erikson das Schiff schließlich im Jahre 1935 als Ersatz für die abgewrackte Grace Harwar.

Die Moshulu nahm auf der Reise von 1938/39 die klassische Route: durch den Atlantik den Passaten folgend, um das Kap der Guten Hoffnung und schließlich mit den Roaring Forties nach Australien in den Spencer Gulf. An den Ballastgründen von Port Victoria wurde der Ballast gelöscht und anschließend Getreide geladen. Wieder mit den Roaring Forties ging es Richtung Kap Hoorn und von dort unter Ausnutzung der Passatwinde nach Irland. Am 10. Juni 1939 ging die Reise in Queenstown nach 91 Tagen seit Port Victoria zu Ende. Damit hatte die Moshulu das Weizenrennen von 1939 gewonnen.

Als Schiffsjunge mit an Bord war der damals 18jährige spätere Reiseschriftsteller George Eric Newby. Er hat die Fahrt in seinem 1956 erschienenen "The Last Grain Race" beschrieben (das Buch ist in deutscher Übersetzung unter den Titeln "Das letzte Weizenrennen" 1968 und "Hölle vor dem Mast" 1986 bei Delius Klasing erschienen). Über 40 Jahre später erschien dann der hier beschriebene Bildband zu der Reise unter dem englischen Titel "Learning the Ropes: An Apprentice on the Last of the Windjammers" (1999).

In einer ausführlichen Einleitung skizziert Newby die Getreide- und Salpeterschiffahrt zu Beginn des Jahrhunderts und befaßt sich mit den führenden Reedereien dieser Zeit: Bordes, Erikson und Laeisz. Ein kurzer Abriß der Geschichte der Moshulu folgt. Schließlich schildert er seine Ankunft auf der Moshulu (noch nicht ganz an Bord wird er vom zweiten Steuermann auf den Großmast gejagt und muß bis zum Flaggenknopf in 60 m Höhe steigen) und die Ausfahrt in den Atlantik. Das wohl nicht immer ganz einfache Miteinander an Bord wird hier weitgehend ausgeblendet.

Der Hauptteil des Buches enthält 147 von Newby’s während der Reise gemachte und mit ausführlichen Kommentaren versehene Photos. Und diese Bilder machen den eigentlichen Reiz des Buches aus. Auf ihnen kann man die gewaltigen Dimensionen der alten Viermastbarken erahnen. Alleine die Masten sind fast doppelt so hoch wie z.B. auf einer Alexander von Humboldt. Die langen Rahen und riesigen Segel lassen alles, was wir von heute fahrenden Traditionsschiffen kennen, als Spielzeug erscheinen. Für jeden an den Details einer klassischen Takelage und an traditioneller Seemannsarbeit Interessierten wird der Bildteil des Buches eine wahre Fundgrube sein, in der man immer neue Details entdecken kann, und wenn es eine gerissene Webeleine ist. Auf einigen Bildern aus dem Spencer Gulf sind andere Teilnehmer des letzten Vorkriegs-Weizenrennen zu sehen: Pommern, Passat, Pamir, Lawhill, Viking. Beeindruckende Bilder finden der Betrachter von der stürmischen See im Südpazifik. Die Qualität der Bilder ist mit wenigen Ausnahmen überraschend gut, wenn man weiß, daß ihr Schöpfer keine photographische Vorbildung hatte und die Bilder mit einem relativ einfachen Photoapparat gemacht hat.

Am Ende des Buches findet sich einen kurzen Abriß über das auch nach dieser Reise weiter turbulent verlaufende Schicksal der Moshulu: Beschlagnahme durch die Wehrmacht in Nordnorwegen und Verwendung im Krieg mit mehrfacher Strandung, Zeiten als Getreidespeicher und gescheiterte Versuche, sie wieder als Segelschiff in Fahrt zu bringen (u.a. durch den Reeder Schliewen), schließlich landet sie in Amerika, wo sie ihren wenig würdigen Lebensabend als Restaurantschiff in Philadelphia verbringt, ähnlich wie die mit ihr 1939 am Getreiderennen teilnehmende Viking in Göteborg als Hotelschiff geendet ist. Beschlossen wird das Buch mit einer Aufstellung der an der Weizenregatta 1939 teilnehmenden Schiffe und ihrer Reisetage.

Buchdetails

Titel:
Lehrjahre vor dem Mast
Autor:
Eric Newby
Seiten:
144
Sprache:
Deutsch
Verlag:
Delius Klasing Hamburg (Edition Maritim), 2001
ISBN:
978-3-89225-422-5