Down to the Sea in Shps
Auf den ersten Blick scheint eine Besprechung einer DVD mit einem amerikanischen
Stummfilm innerhalb der Bücherrezensionen verwunderlich. Aber sie hat ihrer
Berechtigung: Bei dem Film "Down to the Sea in Ships" von 1922 handelt es sich
um eines der wenigen dokumentarischen Zeugnisse über den Walfang, wie er in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts getrieben wurde. Leider wurde das Medium
Film erst gut 50 Jahre nach dem Höhepunkt des klassischen Walfangs erfunden, so
daß solche filmischen Dokumente sehr selten sind. Im vorliegenden Film kann man
auf authentischem Filmmaterial die sonst nur aus der Literatur bekannten
Walfangtechniken in bewegten Bildern erleben, etwa das Abflensen des Walspecks
von einer Flensstelling aus, das Abtrennen und An-Bord-Hieven des Walkopfes zur
Entnahme des Spermöls (Walrat), das Ausschmelzen des Trans in Tranöfen an Bord
des Walfängerschiffs und das Harpunieren eines Pottwals von einem kleinen Fangboot
aus.
Filmplakat
Bemerkenswert sind diese Aufnahmen, da die Schauspieler bei den Arbeiten unter die echten Walfänger gestellt werden. Darüber hinaus sind an diesem Film drei waschechte Walfangschiffe beteiligt, die Bark Charles W. Morgan (1841 als Vollschiff gebaut, zu Drehbeginn als Walfänger gerade außer Dienst gestellt und heute noch im Mystic Seaport Museum als letztes Schiff seiner Art zu besichtigen), die Bark Wanderer (der Walfänger wurde 1878 gebaut und strandete - noch im aktiven Dienst - 1924 auf Cuttyhunk Island unweit seines Heimathafens New Bedford, nachdem in einem schweren Nordoststurm der Anker nicht mehr hielt) und der Motorschoner Gaspe. Während die Gaspe als Mutterschiff für die Fangboote im Film selbst nicht zu sehen ist, kann man die Wanderer in vielen Aufnahmen unter Segeln bewundern. Die Authentizität des Filmes wird dadurch erhöht, daß der Kapitän des Fangschiffes von einem echten Walfängerkapitän - James A. Tilton - verkörpert wird. Hier verschmelzen Fiktion und Wirklichkeit. Tilton spielt im Film nicht nur diese (kleine) Rolle, sondern führt auch, nun wieder als realer Kapitän, die Gaspe während der Aufnahme der Walfangszenen.
Die Wanderer (Hintergrund) und die Morgan (Vordergrund)
Die Filmhandlung beginnt in New Bedford, dort wurden vor historischer Kulisse auch die Landaufnahmen gedreht. New Bedford ist neben den nicht weit entfernten Häfen Nantucket und Mystic / New London wohl das Zentrum der Walfangindustrie des 19. Jhd. in New England. Hintergrund der nicht allzu bemerkenswerten Handlung ist das Quäkermillieu (der Titel des Filmes ist ein Zitat aus dem 107. Psalm). Reeder William Morgan will seine Tochter Patience nur einem Quäker und Walfänger zur Frau geben. Es gibt zwei Bewerber, der Schurke Siggs, der sich in das Vertrauen des Vaters einschleicht, und Dexter, der kein Walfänger ist, aber von Patience geliebt wird. Siggs schafft Dexter aus dem Wege, indem er ihn shanghaien und an Bord des Walfängers Morgan bringen läßt. Natürlich macht Dexter aus dieser Situation das Beste, nutzt die Gelegenheit und harpuniert einen Wal. Damit ist die Bedingung des strengen Vaters erfüllt und Dexter bekommt Patience schließlich zur Frau.
Filmplakat
Es sei auf den beziehungsreichen Namen Morgan für den Reeder im Film hingewiesen. Den gleichen Nachnamen trug ein bedeutender Reeder aus New Bedford, Charles Waln Morgan (1796 - 1861), Eigner des gleichnamigen schon oben erwähnten Schiffs. Kurios im Hinblick auf die Filmstory ist die Konversion des historischen Morgan vom Quäkertum zum Unitarismus.
So simpel wie die Handlung ist, so beeindruckend sind die Bilder vom Walfang, insbesondere die bei den Westindischen Inseln gedrehten Szenen vom Harpunieren eines Pottwales. Da wird Melvilles "Moby Dick" lebendig. Vergleichbar packende Szenen von einer echten Waljagd mit der Harpune in kleinen Fangbooten sind dem Rezensenten bisher nur aus einer kurzen Filmsequenz im Marinemuseum Lissabon bekannt (dort: Walfang auf den Azoren). Gedreht wurde "Down to the Sea in Ships" von der Whaling Film Corporation, die wohl über diesen Film hinaus keine weiteren Filme produziert hat. Neben der Charles W. Morgan in Mystic Seaport ist auch eines der beim Film verwendeten Fangboote noch heute zu sehen - im Deutschen Schiffahrtsmuseum Bremerhaven.
Der besprochene Film hat eine Länge von 95 Minuten. Zu beziehen ist die DVD, auf der ein weiterer Stummfilm Parisian Love zu finden ist, bei www.amazon.com für $ 29,95 + Versandgebühr. Die Angabe über den Ländercode bei Amazon ist definitiv falsch, die DVD ist ländercodefrei und ließ sich bei mir ohne Probleme sowohl auf dem PC als auch auf dem DVD-Player abspielen.
Buchdetails
- Titel:
- Down to the Sea in Shps
- Autor:
- Elmar Clifton (directed by)
- Seiten:
- 95 Minuten Länge
- Sprache:
- Englisch (Untertitel)
- Verlag:
- Kino on Video, New York, 2002 (ursprünglich Whaling Film Corporation, 1922)
- ISBN:
- B0000633SZ (ASIN - Amazon)